Verdammt....Holly zerrte mich immer weiter in die Gasse, doch es war eine Sackgasse, und die Menschen kamen immer näher. "Was sollen wir tun?", piepste ich und blickte mit verängstigten Augen zu Holly.
"Psst!" Ich musste nachdenken. "Versucht erst garnicht, euch zu verstecken!" hallte es durch die Gasse. Die Augen schließend warf ich meinen Kopf in den Nacken, lehnte mich gegen eine Wand. Was jetzt? Ich sah mich um. Nichts, worüber man hätte klettern können. "Wir könnten versuchen, sie zu 'überrennen' und dann hoffen, in der Menschenmenge unterzugehen..." schlug ich vor. War zwar kein guter Plan, aber besser als irgendetwas anderes.
"Eine andere möglichkeit haben wir nicht.", antwortete ich darauf. Mein Blick war starr auf die Gestlaten, die immer näher kamen, gerichtet. Ein klacken von Schokolade war zu hören, worauf ich zusammenzuckte.
"Ich will nicht..." murmelte ich ängstlich. Das Geräusch ließ mich ebenfalls erstarren, doch dann atmete ich tief aus. "Ich will nichtmehr..." Die Mauer, welche diese Seitenstraße zu einer Sackgasse machte, war zu hoch, als dass man sie hätte beklettern können.
Immernoch geisterte mir nur ein Gedanke im Kopf herum. Ich will hier weg! Sofort! Der Verzweiflung nahe drückte ich mich in eine Gasse. Es durfte nicht so enden. Obwohl ich zugeben musste, dass es für eine spontane Flucht fast schonzu gut lief.
"Vielleicht sind es wieder sie?", flüsterte ich ihre zu. Aber... die Schatten sahen anders aus, als die der Sonderkommision. Und Matsuda währe sicher schon einmal gestolpert. Also waren es sicher andere.
Die regelmäßigen Geräusche der Schritte verstummten. Ungewollt schluckte ich. Ich schloss die Augen, lehnte mich gegen die Wand. Tief atmete ich ein, hielt anschließend die Luft an. Es war zwecklos. Wer weiß, wo wir jetzt schon wieder hineingeraten waren. Ich bereute die Entscheidung abzuhauen. Langsam atmete ich wieder aus. Meine Augen öffneten sich und die Geräusche der Straße, die sich nur wenige Meter von uns entfernt befand, wurden immer leiser.
Starr blickte ich auf die Schatten, die ihre Schritte verlangsamt haben. Vielleicht...haben sie ja etwas anderes gesucht. Vielleicht würden sie uns ja wieder gehen lassen? Doch dies war bei meinem und Holly Glück unmöglich.
Jemand begann zu reden. Ich hörte die Worte, hörte die Sätze, hörte, dass jemand etwas sagte. Doch nur oberflächlich. Meinen Blick starr auf den Boden gerichtet versuchte ich die Oberfläche der Worte anzukratzen, den Sinn zu verstehen. Doch bereits jetzt vergaß ich, was gesagt wurde.
"Wer seit ihr?", fragte auf einmal eine Stimme. Sie gehörte keinem Erwachsenen. Sie war sicher von einem jüngeren. Ich biss mir auf die Lippen. Das könnten wir dir auch fragen., dachte ich. Aussprechen traute ich mich dies aber nicht.
Je öfter ich nachdachte, desto mehr setzten sich die Worte zu einem logischen Satz zusammen. Auch ich traute mich nicht, etwas zu antworten. Und selbst wenn... Was hätte man nun am besten sagen sollen? Kleine Mädchen, die gerade aus einem Gebäude voller Polizisten geflohen sind? Oder sollte man doch lieber lügen? Meine Gedanken überschlugen sich.
"Antwortet.", befahl die Stimme. Ich presste mich aber gegen die Wand. Ein leises wimmern entfloh mir. Verdammt, Verdammt, Verdammt! Aber dann entschied ich mich, zu antworten. "Das könnten wir euch genau so fragen.", meinte ich mit unsicherer Stimme. Die Gestalten schien kurz zu stocken.
Ich zuckte zusammen. Sowohl bei den Worten der Fremden, als auch bei Nanis. Hätte Nani jetzt nichts gesagt... Meine Gedanken wurden durch ein leises Gemurmel der anderen unterbrochen. Man konnte nicht genau verstehen, was sie sagten, und ich wollte es wohl auch garnicht wissen. Wäre das jetzt nicht eine Chance... sie sind abgelenkt... vielleicht können wir diese Chance nutzen und an ihnen vorbei abhauen. Scheint ja nicht so, als ob sie uns nur mit irgendetwas volllabern wollten... Vielleicht sollte ich auch einfach weniger Lesen, oder was uch immer, aber wenn sie abgelenkt sind... Auf der Straße sind wir in Sicherheit... Ich blickte zu Nani. Ob sie wohl mitmachen würde?
Ich blickte mit ängstlichen Augen zu Holly. Hat sie etwas vor...?, fragte ich mich, denn in ihren Augen schien etwas aufzuflimmern. Was wollte sie tun? Hatte sie eine Idee, um hier wegzukommen?
Unsicher trat ich einen weiteren Schritt zurück und spürte die kalte Wand an meinem Rücken. Ob das klappt? Im Schutz der Dunkelheit zog ich Nani ein Stück zu mir. "Wenn wir es irgendwie schaffen... sie irgendwie abzulenken, können wir bestimmt an ihnen vorbei..." wisperte ich so leise, dass ich es selbst kaum vernehmen konnte.
"Und wie? Etwa einen Stein nach ihnen werfen?", wisperte ich zurück. Ablenken wäre unsere einzige Möglichkeit. Doch wie um Gottes Willen sollten wir dies tun?
"Keine Ahnung...", antwortete ich erneut so leise wie möglich. Mir war klar, dass wir abhauen mussten. Irgendeines meiner Gefühle sagte mir das. Ob es jetzt die Angst selbst war, konnte ich nicht definieren. Ich nahm allen Mut zusammen, warf eine aus Metall bestehende Mülltonne um und griff nach dem nächstbesten, das sich in meiner Reichweite befand. In dem Fall ein Stück Rohr, oder zumindest so etwas in der Art. Die Tonne fiel lautstark zu Boden, während ich das Metallstück in meiner Hand nach der Truppe vor mir warf. Anschließend sprang ich über die Tonne, die mir unglücklicherweise direkt vor die Füße fiel, stolperte. Sofort fing ich mich mit den Handflächen ab, stieß mich wieder in die Höhe und rannte weiter. Ich musste hier raus! Dieser Gedanke trieb mich weiter. Mein Wurfgeschoss fiel zu Boden. Anschließend versuchte ich mich an zwei der Typen vorbeizudrücken, doch die reagierten zu schnell und schnappten mich an den Armen, als ich gerade ein kleines Stück an ihnen vorbei war. Ich hätte nie gedacht, dass unsere Freiheit nur so kurz andauern würde...
Ich versuchte ebenfalls, mich schnell an diese Leute vorbeidrücken, doch keine Chance. Sie waren noch stärker, als ich erwartete hatte. Ich blickte zu Holly und ein leises knurren entfuhr mir. Sie sollten mich und Holly gefälligst in Ruhe lassen! Vielleicht war es dumm zu knurren. Aber was besseres fiel mir in diesem Moment nicht ein. "Na, was haben wir denn da.", meinte der jüngere dieser Typen. Mir fiel auf, dass er Lederklamotten trug und blonde, mittellange Haare. Was wollte dieser Typ von uns?
Sofort hatte ich es aufgegeben, mich zu wehren. Hatte eingesehen, dass es keinerlei Erfolg mit sich bringen würde. Ich war wohl dazu verflucht, auf Ewig in Gefangenschaft zu leben. Das klingt wie aus einem schlechten Film. Egal, zurück zum Geschehen. Was haben wir denn getan? Was will der von uns? Ich will hier weg, verdammt! Wie wütend ich war! Und dann noch der Spruch eben. Wer waren wir denn schon? Niemand auf dieser Welt kennt uns, was soll das ganze Theater eigentlich? Ich wollte nur noch mein altes Leben wiederhaben!
Am liebsten hätte ich diesem Jungen in die Hand gebissen, aber leider wurden wir dadurch auch nicht frei. Also beliess ich es dabei, noch einmal zu strampeln und dann aufzugeben. "Was wollt ihr von uns?", zischte ich mit wütend aufblizenden Augen.
Alle lachten leise auf. Doch schnell verebbte es wieder, als der vermeintliche Anführer dieser kleinen Gruppe näher trat. Das Licht fiel nur von hinten auf ihn, da die enge Gasse von zwei Häusern im Schatten gehalten wurde. Er war klein. Zumindest nicht viel größer als ich. Etwa meine Größe. Die Wut übermannte mich. Ich begann wie eine Verrückte um mich zu treten, zu schlagen, zu beißen, zu kratzen. Die Hoffnung, er würde mich dadurch loslassen, hatte ich zwar aufgegeben, doch ich machte immer weiter. Schreiend wandte ich mich im Griff meines Fängers, bis der mich tatsächlich nach einem Biss in die Seite erschrocken zu Boden fallen ließ. Sofort registrierte ich, was passiert war und rannte einige Schritte nach vorne. Kurz vor der Straße blieb ich allerdings stehen. Es wunderte mich nicht nur, dass keine einzige Menschenseele auf der Straße zu sehen war, sondern viel eher, dass mir niemand folgte, um mich wieder einzufangen. Im Gegenteil, ich hatte gehört, wie er die Frage, ob ich wieder geholt werden solle, abgelehnt hatte. Matsuda, selbst du könntest uns jetzt helfen... Einmal, rette uns nur dieses eine Mal... Doch mein in den Himmel geschicktes Stoßgebet wurde anscheinend nicht erhört. Die Rettung blieb aus. Ich wandte mich zu Nani und den anderen. Wie soll ich Nani jetzt nur noch helfen? Würde ich zu nahe kommen, wäre ich wieder gefangen. Würde ich zurück zur Sonderkommission, wären sie wohl schonlange weg. "Die kommt schon wieder...", meinte der blonde mit schelmischem Grinsen. "Wie kannst du dir da nur so sicher sein?", fragte ich mit lauter, aber aggressiver Stimme. Doch meine Wut verflog augenblicklich, als ich die Waffe zwischen seiner Hand und Nani erblickte. Mein Körper fühlte sich an, als würde er jedem Moment zerfließen. Meinen Beinen wurde der Boden entzogen und mein Leib zitterte immer heftiger. "Wie-...so...?", murmelte ich völlig verstört. Meine Nerven lagen blank. Sollte ich nun mich, oder Nani retten? Nein, würde ich fliehen, würden wir wohl beide draufgehen. Ein Schluchzen entfuhr mir.
Mit weit aufgerissen Augen blickte ich zur Waffe. Was sollte das? Mein Blick schwiff flehend zu Holly. Sie würde mich doch jetzt nicht einfach hierlassen? Dann würde ich sterben! Aber... wenn sie wegginge, währe wenigstens sie frie. Aber wenn die Sonderkomission sie schnappte? Wenn der Blonde ihr folgen würde und ebenfalls töten würde? Also beschloss ich, mich einfach hilflos dem eisernen Griff des Mannes nicht zu wiedersetzen. Ich hätte sowieso keine Chance. Holly war stärker als ich. Aber... was, wenn ich ihnen irgendwie drohen könnte? Ich kannte den wahren Namen Kiras. "Wollt ihr mich wirklich umbringen...?", sagte ich mit einem fordernden Unterton und mit einem Grinsen auf den Lippen. Ich wusste, dass Holly mich verstört anblicken würde, aber egal. Es war ein Versuch wert. Dann würden sie mich wenigstens am Leben lassen, dass war zurzeit mein einziges Flehen. "Warum nicht?", antwortete der blonde Junge und sag mich verwirrt an. er hatte wohl meinen unterton bemerkt. "Vielleicht weiss ich ja etwas, dass euch nützlich sein könnte?", meinte ich und grinste noch mehr. "Was weisst du, du Weib?", sagte er mit zischender Stimme und legte die Schusswaffe an meine Schläfe. "Vielleicht...kenn ich den wahren Namen Kiras? Vielleicht weiss ich, wer er ist? Der allbesagte Kira, der Morde begeht?" Die Augen des Jungen weiteten sich. Sofort nahm er die Waffe weg und steckte sie wieder in seinen Ledermantel. Schien, als hätte ich ins schwarze getroffen.
Ich blickte auf. Den Namen Kiras? Verwirrung kam in mir auf. Doch ich war mir sicher, dass das alles nur Täuschung war. "Du kennst.. den Namen Kira?" Selbst durch die Dunkelheit war das Funkeln in seinen Augen zu erkennen. Doch es wurde immer schwacher, wurde wieder ernst. "Und wieso soll ich so sicher sein, dass du das weißt? Oder dass nicht sogar du es bist?" Er wurde skeptisch, deutete seinen Männern mit einer Handbewegung, Nani stehen zu lassen, sie dennoch nicht loszulassen. Er blickte mit Todesblicken auf sie herab. "Dann lass mal hören, oder ihr geht beide drauf!" Hinter mir fuhr ein schwarzer Wagen vor und bog ein. Nur knapp kam er vor mir zum Stehen. Irgendwie klischeeerfüllend. Es stiegen noch mehr seiner Männer aus und sperrten uns ein. Auch meine Flucht war dadurch unmöglich. Tief atmete ich durch, kniete mich nieder.
"Warum sollte ich, wenn ihr mir so droht?", grinste ich und versteckte geschickt meine Angst. "Nun sag endlich!", rief der blondhaarige und zog wieder seine Schusswaffe, um sie mir an die Schläfe zu legen. "Er ist ziemlich bekannt...Jedenfalls in Japan...", antwortete ich genau so locker wie als ob überhaupt nichts währe. Als würde die metallisch funkelnde Schusswaffe nur aus billigem Plastik bestehen. "SAG ENDLiCH!", rief der Junge ungeduldig. Die Worte hallten durch die Gassen und schienen nicht zu verstummen. "Der wahre Name Kiras...", murmelte ich und blickte in die Luft. Ein lauter Knall lies mich zusammenzucken. Mein Atem stockte kurz, als ich sah wie die Schusswaffe Rauch von sich gab. Als ich auf die Wand hinter mir blickte entdeckte ich ein Schussloch. "Jetzt sag...", knurrte der Junge und seine Augen funkelten mit einer bösen Absicht. "Naja, Vorname wird schon reichen, damit ihn wohl jeder kennt. Oder...er beginnt mit L...", sagte ich wieder mit einem herausfordernden grinsen auf den Lippen.
